| Weihnachten ❆ Noël ❆ Christmas | |
| Français ❆ English | |
|
Liebe Freunde, Mein vierzigstes Kalenderjahr in dieser Welt neigt sich dem Ende zu und seit einiger Zeit fühle ich mich etwas unzufrieden. Mag sein, dass es diese Midlife-Crisis ist, von der ich so viel gehört habe oder auch nur das dunkle Wetter. Jedenfalls tut es gut, die alten Weihnachtsbriefe zu lesen und sich in Dankbarkeit für ein schönes Leben zu üben und auch dieses Jahr ein wenig Revue passieren zu lassen. Begonnen hatte es in Hamburg. In den ersten Minuten hatte ich Olaf an der Binnenalster gegen allerlei Feuerwerkskörper verteidigt. Meine Belohnung sollte eine Gratis-Packung Chips werden. Der an der Bar angetroffene Haustechniker freute sich wie Bolle, dass ich mich vom Vortag an ihn erinnerte und schickte gleich den Rezeptionisten in die Spur, der gern gefällig war, da ich ihm kurz zuvor ein Marzipanschwein zum neuen Jahr geschenkt hatte. So einfach waren drei Erdenkinder glücklich zu machen. Mit Olaf vier — der wollte auch Chips. Das Leben an der Uni war dieses Jahr etwas vergiftet. Die intellektuell Benachteiligten sind auf die clevere Idee gekommen, ganz laut Rabatz zu machen, bis die Studienbedingungen zu Ihren Gunsten geändert wurden und die Anwesenheitspflicht abgeschafft. Die suggerierte Stimmung, welch unzumutbare Last unsere Seminare und Vorlesungen wären, empfand ich als sehr drückend. Freudig hingegen das Sommer-Grillfest, bei dem meine Fans unter den Studierenden mich zum Schnaps-Trinken zwangen, was ich nur überstehen konnte, indem ich die kleinen Flaschen teils heimlich auslaufen ließ. Mein Körper verträgt den Methanol-Gehalt von studentisch erworbenem Noname-Alkohol einfach nicht mehr. An Reisen gab es dieses Jahr fast nur Superlative: kälter, teurer, weiter. Ich erinnere mich noch gut, wie wir früher jeden Pfennig zweimal umdrehen mussten. Wer dieses Gefühl zurückhaben möchte, braucht nur nach Zürich zu fahren. Die Fahrt über den sonnigen Zürichsee mit dem Unterhaltungsprogramm lustiger Haltestellenansagen wie „Rüschlikon, Bendlikon, Küsnacht“ bleibt dennoch unvergesslich. Deutlich kälter war es da auf Konferenz in Schottland. Während die Erfurter Kollegen wegen der Sommerhitze die Erlaubnis erhielten, von zuhause zu arbeiten, waren in Glasgow ganze 17 Grad. Neben erfrieren hatte ich die ersten Tage noch die Option zu verhungern. In der Nähe meines Wohnheims gab es weder Café noch Laden. Im Konferenzzentrum zwar schon, aber machten die erst nach Beginn der Konferenz auf. Die phonetische Nahrung war dafür umso besser. Korea war die weiteste Reise in meinem Leben bisher. Praktisch dort, die U-Bahn-Ausgänge, die immer durchnummeriert sind. Geduld fordernd, die Geldautomaten, welche sich nicht nur nicht ähnlichsehen, sondern vor allem ausländischen Karten oft kein Geld geben. Laut, die Zikaden im Garten des Palastes der glänzenden Tugend. Ich bin immer noch sicher, dass die über Lautsprecher eingespielt werden. Sehr lecker, 빙수 Bingsu, das koreanische Eis, welches mit Karamell und Nüssen oder Grünteegeschmack ähnlich einer Granita ist und noch ähnlicher einem Gedicht. Ungeschlagen, 소주 Soju, Koreas wenig maßvoll genossener Nationalschnaps, im Supermarkt direkt neben der Limonade, der sich ganz wunderbar nachts an der Strandpromenade mit T-Shirt, Freunden, Strandmusiker und lachenerfüllter Leichtigkeit trinkt. Ehrenvoll, der Vizepräsident der ISU, des 3D-Weltverbandes, der ich nun bin. Viele kleine schöne Premieren hatten sich auch im Alltag versteckt: Vormittags schon zwei Gläser Weißwein dank Ron und Frankfurter Wochenmarkt (neu für mich), gefolgt von KFC-Hühnchen (neu für ihn). Ein absolut festliches für mich gekochtes Geburtstagsmenü. Baiser mit Früchten auf der Terrasse von neuen Freunden in Erfurt. Mit Olaf im Hygienemuseum lernen, dass zuviel Orangenaroma nach Ziegenbock riecht. Und das kommende Jahr? Für uns wird es in Bratislava beginnen. Es wird vielleicht ein neues Buch bringen, ganz sicher aber eine amerikanische Stimme für mein Phonetik-Buch. Der 3D-Kongress der DGS wird von mir organisiert in Weimar stattfinden. Mir ist schlecht, ob alles gut geht. Außerdem werden wir Ringe besorgen. Auf die Freude, Euch im kommenden Jahr wiederzusehen — Frank |
0163 777 32 43 Skype:
|