Weihnachtsbrief
Sehr liebe Freunde,
ein so schönes Jahr gab es schon lange nicht mehr!
Mit viel Arbeit hatte es zwar angefangen und ich riskierte beinah eine Beziehungskrise mit Olaf,
weil ich schon nach dem Aufstehen im Morgenmantel über allerlei Büchern saß und an meinem eigenen schrieb.
Selbst die Tradition, Chrissie die gemeinste Karte, die ich auftreiben kann, zum Geburtstag zu schicken, habe
ich das erste Mal in zwölf Jahren verpasst. Dafür hat die Welt jetzt
ein Phonetikbuch, mit dem auch der letzte Depp das Fach begreift.
Als Belohnung durfte ich eine wahrlich irre Stadt kennenlernen: İstanbul. Beschreiben lässt sich die Stadt nicht. Sie ist zurückgelehnt hektisch,
eurientalisch, jung und ewig. Eindrücke, die ich nie vergessen werde: teetrinkend
mit den Dampfern über den Bosporus schippern, nachts die prachtvolle İstiklal Caddesi hinunterschlendern, beim Konditor in Sirkeci in einen Roman versunken
Pistazien-Pudding und sirupgetränkte Baklava essen und schließlich – Taxifahren, denn den Weg muss man bitteschön selbst kennen und dem Fahrer beschreiben.
Mein geliebtes, altes London brauchte aber gar nicht eifersüchtig werden: da meine Eltern nun Rentner sind, kamen sie auf mein
zwölf Jahre altes Angebot zurück, ihnen die Stadt zu zeigen. Mein Vater liebte das Bier und die Pub-Kultur, meine Mutter die Croissants im Greasy Spoon, wo wir frühstückten,
und beide liebten Wagamama. Der erste Urlaub mit den Eltern seit der Pubertät, aber es war ein schönes Erlebnis.
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