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Fröhliche Weihnacht

Liebe Freunde,

Dieses Jahr war das Jahr der Wunder. Im Frühjahr wunderten wir uns, wie lange es dauern kann, einen Impf­termin zu bekommen. Im Sommer wunderte man sich noch mehr, dass ein ganzes Drittel der Bevölkerung so schulisch unterbelichtet ist, dass sie gar keinen wollen. Und was wohl niemand Anfang des Jahres für möglich gehalten hätte, dass wir erneut am Jahres­ende zuhause sitzen und unsicher sind, wohin die Reise geht.

Mach es wie die Sonnenuhr: Zähl die heit’ren Stunden nur! Eine solch heitere Stunde war der Geburts­tag meines Paten­sohns. Zum fünfzehnten bekam er wunsch­gemäß eine Benjamin-Blümchen-Sahnetorte und einen Rasierer. Außerdem bruten wir zusammen DDR-Jägerschnitzel aus zwei großen Jagdwürsten. Er war völlig entsetzt, dass seine jüngeren Brüder, die von bayrisch-hessischen Eltern nicht auf dem Gebiet der ostalgischen Kulinarik sozialisiert worden waren, dieser Delikatesse nichts abgewinnen konnten.

Im Januar waren wir komplett eingeschneit. Erinnert ihr Euch noch? Ich musste statt mit Hemd und Krawatte in Strick­jacke vor dem Dekor eines elterlichen Zimmers unterrichten. In Leipzig fuhr eine Woche lang die Straßen­bahn nicht, so dass ich mir überlegen musste, wie ich, noch etwas wacklig auf den Beinen, durch Schnee und auf Eis zur Ergo­therapie komme. Meine Therapeutin war dann schon etwas ratlos, denn meine Hand war für die Therapie bereits zu gut. So ließ ich mich breit­schlagen, wogegen ich mich in andert­halb Monaten Reha gewehrt hatte, und flocht ein Weiden­körbchen. Schön, darauf zurückzu­blicken und festzu­stellen, dass die letztes Jahr noch querschnitts­gelähmten Arme und Beine auch dieses Jahr nochmal deutlich besser geworden sind.

Vor 208 Tagen war der 30. Mai und ich fing an, jeden Tag Tschechisch zu lernen. Ich wollte wissen, ob man mit einer App eine Sprache lernen kann und wie diese dort unterrichtet wird. Es ist sicher gut, sich Ziele zu stecken, aber es ist auch herrlich, ebendies nicht zu tun. Genauso wenig, wie ich letztes Jahr mein Malbuch fertig­stellen wollte, sondern einzig meine Hand trainiert habe, ist es wunderbar, eine neue Sprache und Gedanken­welt zu entdecken und schlicht das Tun zu genießen. Wenn es kein Ziel gibt, ist alles, was man tut, richtig. Mittler­weile nähere ich mich dem B1-Niveau und kann mich in einfacher Sprache unterhalten. Fun facts zur tschechischen Sprache: Es gibt keine zwei verschiedenen Wörter für Hand und Arm (ruka), ebenso wenig für Fuß und Bein (noha). Der Genitiv ist überall: eine Flasche Wein muss eine Flasche des Weins (láhev vína) heißen. Das geht auch doppelt: 5oo Gramm Mehl ist 500 gramů mouky, also 500 der Gramme des Mehls. Und wie „mir ist kalt“ wird auch das Alter ausgedrückt: „mir ist 45“ (je mi 45 let).

Anders waren noch so manche Dinge. Meinen Geburtstag feierten wir als Picknick, jeder auf ihrer Decke im Rosental. Der 3D-Kongress der DGS konnte nicht vor Ort statt­finden. Nach wochen­langen Tests, bei denen YouTube sich auch nach wieder­holten Bestätigungen über die Richtig­keit des Logins querstellte, konnten wir unsere Shows auf knapp hundert heimische 3D-Fernseher streamen. 3D mit einem Glas Rotwein oder Sekt auf der eigenen Couch zu genießen waren drei wunder­bare Abende. An der Uni konnten Seminare mit wenigen Teilnehmenden wieder in Präsenz statt­finden. Es war so angenehm, nicht stupide einer Webcam Phonetik beizubringen, sondern in die Gesichter meiner Studierenden zu schauen und dort zu sehen, dass bisweilen die Webcam mehr verstanden hat.

Einige Ausflüge hielt das Jahr aber auch parat. Das Leipziger Impf­zentrum war zwar nur 6 km entfernt. Das sächsische Impf­portal jedoch meist erst nach einer Stunde Warten überhaupt aufrufbar und Termine nur mit Glück in vereinzelten Städten verfügbar. So bekamen Olaf und ich unsere Impfungen in der Richard-Hartmann-Halle in Chemnitz. Den Urlaub in Bremen holten wir ebenfalls nach und erhielten eine persönliche Führung im Rundfunk­museum. Hochinteressant: Mit Tefifon gab es in den 50ern ein System, wo auf ein Plastikband innerhalb einer Kassette Schallplatten­rillen geritzt waren. Das System scheiterte an den Rechten: Diese lagen bei den Schallplatten­firmen, so dass es auf Tefifon nur nach­gesungene Titel gab.

Was wird uns das neue Jahr bringen? Ich bin optimistisch. Ich freue mich auf die Arbeit an einem neuen Phonetiklehrbuch, auf Ausflüge mit meinem Mann, Patensohn und meinen Eltern, den internationalen 3D-Kongress in Český Krumlov und andere Gelegenheiten meine neue Sprache anzuwenden und hoffentlich viele schöne Treffen mit Dir.


Frank Lorenz

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