Weihnachtsbrief Français · English
 

Liebe Freunde,

Die letzten drei Wochen haben geschummelt und müssen eigentlich fünf gewesen sein. Ich habe planmäßig noch ein Training in Köln absolviert, endlich Daten für eine eigene Studie erhoben, ungeplant die Vorlesungen meiner Kollegin vertreten und mich von Buntmetalldieben ärgern lassen, die auf meiner Rückfahrt die Oberleitung geklaut hatten. In solchen Zeiten zwingt die Hektik zur Gelassenheit. Überhaupt finde ich, dass ich dieses Jahr gelassener geworden bin, aber auch angefangen habe, darüber nachzudenken, wie man Facetten des Lebens noch anders gestalten kann.

Der Auftakt des Jahres fand in Stockholm statt. Dass die Lufthansa unseren Flug dorthin um mehrere Stunden verschub, fanden wir blöd. Dass wir daraufhin lieber früher ab Berlin fliegen wollten, schien dem Universum nicht zu gefallen: Der erste Zug zum Flughafen wurde immer verspäteter. Warten in der Lounge war gestrichen, denn die Mitarbeiterin steckte in einem verspäteten Zug. Warten beim benachbarten Burgerbräter war gedrängt, denn die obere Etage wegen ausgefallener Heizung gesperrt. Der planmäßig nächste Zug fuhr pünktlich ab, nur nicht sehr weit. Wir verweilten stundenlang in Delitzsch, 12 km vor den Toren Leipzigs und durften schließlich auf Taxis umsteigen. Wer denkt, Delitzscher Taxifahrer freuen sich ein Loch in den Bauch, dass sie mehrere hundert Kilometer nach Berlin fahren dürfen, der irrt. Jedes Taxi war mit Dialysefahrten ausgebucht. Wir kamen schließlich später an, als wären wir regulär ab Leipzig geflogen.

Insgesamt war das Jahr reich an 3D-Reisen. Zum Sonne tanken flog ich im März nach Bordeaux und besuchte die dortige Regionalgruppe. Das Treffen wurde spontan abgesagt und ein Programm der Frank-Unterhaltung zusammengestellt. Nur Sonne gab es leider nicht. Vielmehr lernte ich auf der Düne von Pila, dass Düne plus Wind gleich Sandstrahlen ergibt. Beim Kongress der Engländer in Cardiff kam ich Freitag gegen halb elf Uhr abends pünktlich zum Ende des ersten Tages an, so dass mir ziemlich genau ein Tag blieb. Dennoch genug für viele nette Begegnungen bei Tee, Bier, Stadtbummel und Frühstück. Nachschlag gab es dann beim ISU-Weltkongress in Irvine reichlich. Dort verteilte ich Marzipan-Herzen als Werbung für den Kongress 2019 in Lübeck, brachte bei der Gelegenheit den Amis gleich die Aussprache des „ü“ bei (sie waren sehr gelehrig), trank mit meiner besty Betsy allerhand Cocktails und lernte beim Ausflug zur Orange County Fair, dass Amerikaner sich nicht mit Hühnerbeinen abgeben, sondern gleich Truthahnschenkel auf den Grill legen. Kulinarisch konnte auch die Schweiz beim D/A/CH-3D-Treffen in Trogen punkten: Schlorzifladen schmeckt so lustig wie es klingt.

Einmal an der Westküste wurden gleich Los Angeles und San Francisco besucht. Die Stadt der Engel hat mich angenehm überrascht. In Erinnerung bleiben die Nachmittagssonne auf den Art-Déco-Kinos des Hollywood Boulevards, die friedvolle Ruhe in den Gärten des Getty Centers, lange Busfahrten entlang der endlosen Straßen zusammen mit lateinamerikanischen Hausfrauen und heftige Blasen an meinen Füßen vom Strandspaziergang von Santa Monica nach Venice Beach.
Meinen Mann traf ich am Flughafen in San Francisco. Monatelag war er vorher aufgeregt, dass er allein fliegen muss. Noch aufgeregter war ich, als ich ganze zwei Stunden nach der Landung auf ihn warten musste, denn der Automat, den er sich zielstrebig zur Einreise ausgesucht hatte, wollte nur registrierte Vielreisende bedienen. Unser Hotel brüstete sich mit kostenlosem Kaffee jeden Morgen und gefiltertem Wasser an der Rezeption. Als wir fragten, was denn ein „Urban Bundle“ wäre, das da jeden Tag mit 22,50$ auf unserer Hotelrechnung erschien, begriffen wir, dass kostenlos wohl relativ ist. Zwei Dinge hatte ich unterschätzt an San Francisco. Zum einen, dass es immer irgendwie bergauf geht, wo auch keine Cable Car hilft, denn die ist immer voll. Zum anderen schließe ich mich Mark Twain an, der meinte, der kälteste Winter, den er je verbrachte hätte, war der Sommer in San Francisco. Wie der Sommer der Liebe jemals stattfinden konnte, ist mir ein Rätsel. Dabei denkt man schließlich eher an auf Wiesen tanzende Mensch als an „Mach schnell die Tür zu! Es wird kalt.“

Mit meinem Patensohn Konstantin schaue ich inzwischen eher Superhelden- als Disneyfilme. Ein großes Abenteuer war der Ausflug mit Übernachtung ins Tropical Islands. Der Check-in in die Megaschwimmhalle dauerte anderthalb Stunden und obwohl sie so groß ist, dass die Freiheitsstatue darin stehen und der Eiffelturm darin liegen könnte, fanden wir am ersten Tag nicht eine freie Liege. Selbstverständlich besetzten wir am zweiten Tag eine, um auch neuen Gästen dieses Erlebnis zu bescheren. Nachts um zehn auf der Wasserrutsche zu sein oder mit einem Cocktail am Indoor-Sandstrand zu liegen, hatte trotzdem etwas.

Deutlich leerer ging es da am 24. Oktober im Standesamt Leipzig zu. Zur Umwandlung unserer eingetragenen Lebenspartnerschaft in eine Ehe waren exakt drei Personen und das Plätschern des Springbrunnens anwesend. Passend zur Skurrilität und Nüchternheit dieses Ereignisses feierten wir mit einem Stück Kuchen bei Karstadt.

Schöne, neue Dinge gab es aber auch im Alltag. Montags am Vormittag einen Statistikkurs beim Guru für Linguistikstatistik, auch wenn das hieß, dass ich meine Vorlesungen nachmittags um vier und um sechs halten mussten. Dank Hochzeitsgutschein meiner Kolleg|innen das beste Essen meines Lebens im Gourmet-Tempel Falco. Meine Eltern wurden siebzig. Als wir beiden anlässlich einen Gutschein für ebendieses Restaurant schenkten, hatte ich so meine Zweifel, ob meine Eltern zu zweit essen gehen. Ohne Überredungsbedarf wurden Olaf und ich zu unserer regularisierten Ehe eingeladen. Im Sommer ein Konzert von Les Yeux d’la Tête in Connewitz mit Jenaer Freunden und mit Prosciutto, Parmesan, Holger und Andreas Klassik auf der Picknickdecke im Rosental, auch wenn ich wegen eines milden Bandscheibenvorfalls kaum sitzen konnte.

Das neue Jahr, was wird es bringen? Zum Sommersemester eine BahnCard 100, mit der ich deutschlandweit Bahnfahren kann. Ich werde mein Zimmer in Erfurt aufgeben und schauen, wie es ist, täglich zu pendeln. Auf alles andere warte ich gespannt und hoffe, dass Du und ich im kommenden Jahr zusammen tausend schöne Dinge unternehmen und nette Stunden teilen werden. Genießt die letzten Tage des Jahres in adventgestimmter Fröhlichkeit.

Frank

 
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